01.10.2003

Leitartikel MBZ: Reform?! von Dr. Christian Bolstorff

MBZ-Heft 10/2003

Reform?!
Dieses Jahr bestimmt die Gesundheitspolitik unser jährliches Sommerloch, für unsere tägliche Praxis wurden entscheidende Weichen gestellt.

Der neue BEMA wird uns ab 2004 beglücken. Eigentlich kein Kammerthema, oder doch? Wir wissen alle, dass es erhebliche Einschnitte gibt, die viele Praxen in große Schwierigkeiten bringen werden. Die KZBV hat mit den KZVen dieses Ergebnis mitverhandelt und damit mitverantwortet. Das immerwiederkehrende Argument, man habe durch Mitarbeit Schlimmeres verhindert, zieht auch hier. Verweigerung der Mitarbeit bringt Null-Einflussnahme auf das Ergebnis.

Die Bundeszahnärztekammer hätte durchaus Grund die Solidarität zu diesem Ergebnis zu verweigern, schließlich dürfte der neue BEMA deutlichen Einfluss auf die kommende GOZ haben. Das ist der einzige Grund, dass ich mich als Kammermensch zu diesem Thema äußere. Die Bundeszahnärztekammer hat stets gesagt, wenn die KZVen bzw. die KZBV dies mitverantwortet haben, dann werden wir bewusst nicht in den Rücken dieser Kollegen fallen.

Das Ergebnis der BEMA-Verhandlungen ist schlecht, ich glaube aber auch, es wäre noch schlechter, wenn die KZVen bzw. die KZBV die Mitarbeit verweigert hätten. Ich denke dabei an die neuen Möglichkeiten, über weitere Mehrkostenabrechnung mit dem Patienten die Therapie zu bestimmen. Wir müssen mit diesem Ergebnis leben lernen, hoffen wir nur, dass in Zukunft der Berufsstand geschlossener steht, um die ständigen Zumutungen der Politik abzuwehren. Die neue GOZ wird auf dem BEMA basieren, also damit auf konkreten Zahlen, die haben gerade Bundeszahnärztekammer (und Freier Verband) nicht zu verantworten. Hoffen wir, dass auch nach dem zu erwartenden GOZ –Desaster die einzelnen berufspolitischen Säulen nicht gegenseitig unsolidarisch miteinander umgehen. Man darf gespannt sein!

Die große Gesundheitsreform folgte auf dem Fuße, diesmal wieder als über alle Parteien des Bundestages übergreifender Kompromiss. Ist es wirklich eine richtige Reform?

Die Frage ist schnell beantwortet, die Antwort lautet jein!

Die Antwort muss so lauten, wenn alle Beteiligten einerseits sagen, dass das System für Reformen ausgereizt sei – man habe es nur noch nicht ändern können bzw. wollen – und andererseits Strukturen des derzeitigen Systems verändert werden müssen. Man hat nicht den Mut gehabt, der für eine echte Reform nötig wäre: Bürgerversicherung oder Prämiensystem – das war eigentlich zu beantworten.

Die uns betreffende Strukturveränderung ist der Zahnersatz. Der vorliegende Gesetzentwurf lässt deutliche Zweifel an der Zahnersatzausgrenzung zu. Ein Wettbewerb zwischen GKV und PKV wird nicht stattfinden, weil die GKV die Regeln bestimmt. Der im Prinzip vernünftige Reformansatz wird völlig verwässert und führt weder zu mehr Gerechtigkeit oder gar Transparenz noch erzieht er den Patienten zur Mitverantwortung. Die vorgesehene Vergütung entspricht dann dem gültigen BEMA. Hier fürchte ich nachhaltigen Schaden, wiederum für die GOZ.

Der Einstieg in die Wahlfreiheit für den Patienten ist grundsätzlich richtig, er würde dafür mehr Eigenverantwortung lernen müssen, und wir würden sogar das Opfer unzureichender Vergütung bringen müssen, um endlich den richtigen Weg zu weisen.

Die Verteilung der Lasten in der Gesundheitsreform sei nicht gleichgewichtig, lautet der Vorwurf. Wer so redet, der verschweigt z.B. unsere ständigen Nullrunden und die Budgetzumutungen.

Eine heute so gepriesene Bürgerversicherung wäre nur Flickwerk, wenn sie nicht gleichzeitig an die Strukturen geht, die die Kosten produzieren. Das wird sie nicht können, weil damit das Wählerpotential von Rot-Grün zu stark betroffen ist. So bliebe die Bürgerversicherung nur eine kurzfristige Vermehrung der Einnahmen, sie wird längerfristig die selben Probleme haben wie heute die GKV – Solidargemeinschaft.

Wir brauchen eine Versicherung für das individuelle Risiko, also mit Wahlfreiheit für den mündigen Bürger. Dazu muss der Bürger erzogen werden. Der ausgegrenzte Zahnersatz hätte ein geeigneter Nachhilfeunterricht sein können.

Die beabsichtigte „Praxiseintrittsgebühr“ wird uns mal wieder in den Geruch der Vielverdiener bringen, obwohl wir wie beim Bonusheft nur die eigentliche Arbeit der Krankenkassen ohne Kosten aufgedrückt bekommen haben. Die Kassen betonen, es dürfe daraus kein bürokratischer Aufwand entstehen. Für sie entsteht der in der Tat nicht!

Der Fortbildungszwang mit Auswirkung auf den Erhalt der Kassenzulassung ist ebenfalls Teil der Reform. Man darf gespannt sein, wie die KZVen das in die Tat umsetzen. Der „freie Beruf“ lässt grüssen.

Christian Bolstorff
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