01.06.2002

16. Berliner Zahnärztetag

Teilnehmerandrang bei "Ästhetik" beweist Bedarf einer neuen Gesundheitspolitik

Statement Dr. Christian Bolstorff, Präsident der Zahnärztekammer Berlin

"Schon vor Beginn des diesjährigen Zahnärztetages war deutlich zu erkennen:
Das Thema, das wir gewählt haben, kommt dem Bedarf der Praxen entgegen. Wir hatten mehr aktive Teilnehmer und auch mehr Aussteller als in den meisten Jahren zuvor.

Ästhetische Zahnmedizin ist ein Trend, der von beiden Seiten ausgeht, sowohl seitens der Patienten, die nicht nur ihre Kaufunktion wiederhergestellt haben, sondern auch noch möglichst unsichtbar versorgt sein möchten, als auch seitens der Zahnärzte, die hier zeigen können, was ihr Fachgebiet inzwischen an hervorragenden Möglichkeiten bietet. In der Regel werden Leistungen im Bereich Ästhetik nicht von den Krankenkassen erstattet, hier können also Patienten selbst entscheiden, was sie haben möchten - und sie tun das in beeindruckendem Maße, wie wir aus den Praxen hören. Auch die Angebote der Industrie werden immer vielfältiger, dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass sich die Zahnmedizin "vor Ort", in den Praxen, anders entwickelt als die Gesundheitspolitik dies vermutet. Die durch Budgets eingegrenzte Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde auf Kassen-Card ist ein Schatten dessen, was heute nicht nur machbar, sondern auch medizinisch up-to-date und seitens der Patienten wünschenswert ist. Schöne und gesunde Zähne sind in unserer Gesellschaf heute quasi ein Aushängeschild - in manchen Berufen sind sie eine zwingende Notwendigkeit, für andere Menschen einfach nur eine Extraportion Lebensfreude.

Befundorientierte Festzuschüsse als Zukunftsschlüssel
Dass manchem die Chance dafür grundsätzlich verwehrt bleibt, ist ein Beweis für die bestehende Zwei-Klassen-Medizin, die dringend abgeschafft werden muss.
Deshalb stehen wir Zahnärzte auch unbeirrt und entschieden hinter unserem Zukunftskonzept "befundorientierte Festzuschüsse": In diesem auf wirkliche soziale Gerechtigkeit bauenden Modell bekommt jeder Patient einen gleich hohen festen Kassenzuschuss, der sich allein an der gestellten Diagnose und nicht an der Wahl der Versorgung orientiert - was ihm die Freiheit gibt zur Entscheidung, ob er eine ausreichend-einfache Versorgung oder noch etwas drauflegen und eine besonders attraktive Versorgung haben möchte.
Befundorientierte Festzuschüsse sind nicht nur europatauglich und daher der einzige Weg in die Zukunft unserer Gesundheitsversorgung, sondern auch kompatibel mit der aktuellen Sozialgesetzgebung in unserem Land. Eine Abkehr vom Solidaritätsprinzip ist nicht notwendig, die Ausgaben werden sich verringern, die Härtefallregelung bleibt erhalten - und eine Therapieausgrenzung findet nicht mehr statt. Wer an den Sinn von Steuerungselementen glaubt, findet ihn hier in der Möglichkeit der Steuerung der Zuschusshöhe und der Ausgrenzung bestimmter Befunde. Der Patient kann wählen - zwischen allem, was die moderne Zahnheilkunde mit ihrem beeindrucken Fächer an Alternativen zu bieten hat. Dies ermöglicht eine Freiheit in der Therapie für die Patienten und einen Aufschwung der Zahnmedizin in Deutschland, der durch die bestehende restriktive Politik noch immer ohne Not geblockt wird.

Fortbildung als Notwendigkeit
Fortbildung, vielleicht sogar mit speziellen Schwerpunkten, wird mehr und mehr zur Basis der Zukunftssicherung der Zahnarztpraxen. Die Patienten sind - jedenfalls viele von ihnen - heute gut informiert und stellen infrage, wenn ihnen eine vorgeschlagene Behandlung nicht zeitgemäß oder gar suspekt erscheint. Zur Information nutzen sie nicht zuletzt unsere kostenlose Patientenberatungsstelle. Die Vielfalt publizierten und diskutierten zahnmedizinischen Halbwissens darf allerdings nicht dazu führen, und auch dazu sind Veranstaltungen wie unser Zahnärztetag da, dass Zahnärzte irgendwelchen Moden hinterherlaufen. Es muss wissenschaftlich abgesichert sein, was wir unseren Patienten anbieten. Fortbildung ist eine Notwendigkeit zur Praxissicherung, das ist uns allen bewusst. Die Halbwertzeit des Wissens liegt heute bei deutlich unter 10 Jahren und diese Phasen werden immer kürzer. Zudem wird der Wissens-Umfang durch größeres Grundlagenwissen und durch ganzheitsmedizinische Zusammenhänge immer gewaltiger - und der Bedarf nach neuen Verfahren wächst mit dem Angebot neuer Materialien durch die Industrie. Hier freuen wir uns besonders über das wachsende Angebot substanzschonender Therapien und ästhetischer Materialien. Dies trägt mit dazu bei, die Freude an der Zahnheilkunde und den Stolz auf das eigene Können trotz wenig motivierender Rahmenbedingungen und Budgetzwängen aufrechtzuerhalten.

Praxisschilder mit "Info-Charakter"
Für manchen eine positive Entwicklung ist auch die Möglichkeit, erworbene besondere Fähigkeiten auf dem Praxisschild auszuweisen. Die Delegiertenversammlung der Berliner Zahnärztekammer hat diesem Vorschlag zugestimmt und die Aufsichtsbehörde eine entsprechende Genehmigung erteilt. Jetzt können Patienten - und das war auch der Wunsch des Bundesverfassungsgerichtes, das die Nennung von Tätigkeitsschwerpunkten auf dem Praxisschild freigegeben hat - schon draußen vor der Praxistür erkennen, welche speziellen Schwerpunkte diese Praxis zu bieten hat. Die Berliner Zahnärztekammer wird zudem die bereits jetzt schon für den Patientenservice entwickelten sogenannten "Listen", auf denen Praxen nach Eigenauskunft mit besonderen Behandlungsverfahren erfasst sind, mit diesen neuen Tätigkeitsschwerpunkten aktualisieren. Übrigens wird auch "Ästhetische Zahnheilkunde" ein solcher Punkt sein, der schildfähig sein wird, denn "schöne Zähne" machen zwar alle Praxen, Ästhetik aber ist ein darüber hinaus gehender umfassenderer Ansatz.

Prävention Kernaufgabe der Zahnheilkunde
Das umfassendste Gebiet der Zahnheilkunde insgesamt ist die Prävention. Das ist eigentlich kein Gebiet mehr, sondern längst unser fachliches Glaubensbekenntnis. Die Verhütung von Zahnerkrankungen, das Stoppen von Zerstörungsprozessen und eine therapeutische Versorgung, die weitere Schäden verhindert, bestimmen heute die moderne Zahnmedizin. Die deutsche Zahnärzteschaft ist in einem enormen Prozess derzeit dabei, ihren gesamten Leistungskatalog zu überarbeiten und auch inhaltlich alle Maßnahmen der Prävention nachzuordnen bzw. entsprechend zu moderniesieren. Mit diesem Modell einer präventionsorientierten Zahnheilkunde, das befundorientierte Festzuschüsse integriert, gehen wir mit Unterstützung auch der anderen Heilberufe in die gesundheitspolitische Diskussion und werden, egal wer nach dem 22. September regiert, weiter für ihre Realisierung kämpfen. Die Liste derjenigen, die für das Projekt Sympathie zeigen, wächst auf allen Ebenen - selbst bei manchen früheren Kritikern. Wir sind also guten Mutes."

Teilnehmerandrang bei "Ästhetik" beweist
Bedarf einer neuen Gesundheitspolitik
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